Wein stehend oder liegend lagern?
Die Frage nach der richtigen Lagerposition von Wein beschäftigt viele Weinliebhaber. Die Antwort ist weniger kompliziert, als oft angenommen: Sie hängt primär vom Verschlusstyp ab. Während Korken liegend gelagert werden sollten, können alternative Verschlüsse problemlos stehend aufbewahrt werden.
Warum die Frage überhaupt wichtig ist
Die Lagerposition beeinflusst die Dichtigkeit des Verschlusses und damit, wie viel Sauerstoff an den Wein gelangt. Bei Naturkorken ist dies besonders kritisch, da der Korken feucht bleiben muss, um seine Elastizität und Dichtigkeit zu bewahren.
Ein ausgetrockneter Korken schrumpft, wird brüchig und verliert seine Fähigkeit, die Flasche luftdicht zu verschließen. Die Folge: Der Wein oxidiert vorzeitig und verdirbt. Die richtige Lagerposition kann also über Genuss oder Verlust einer wertvollen Flasche entscheiden.
Naturkorken - Immer liegend lagern
Flaschen mit Naturkorken sollten grundsätzlich horizontal gelagert werden. In dieser Position ist der Korken in ständigem Kontakt mit dem Wein, der ihn feucht hält und vor dem Austrocknen bewahrt.
Die Wissenschaft dahinter
Naturkork besteht aus den Zellen der Korkeiche (Quercus suber). Diese Zellstruktur ist von Natur aus elastisch und gasdicht - ideale Eigenschaften für einen Flaschenverschluss. Allerdings verliert Kork diese Eigenschaften, wenn er austrocknet.
Der Feuchtigkeitsgehalt eines Korkens liegt optimalerweise bei 5-8%. In liegender Position wird der Korken durch den Wein befeuchtet und bewahrt seine Elastizität. In stehender Position kann er innerhalb von Monaten bis Jahren austrocknen - die genaue Zeit hängt von der Luftfeuchtigkeit der Umgebung ab.
Ausnahmen bestätigen die Regel
Für kurzfristige Lagerung von einigen Wochen ist auch stehende Aufbewahrung unproblematisch. Der Korken trocknet nicht sofort aus. Wenn Sie jedoch planen, eine Flasche länger als einen Monat aufzubewahren, sollten Sie sie legen.
Bei sehr hoher Luftfeuchtigkeit (über 70%) trocknet der Korken auch in stehender Position langsamer aus. In feuchten Kellern ist stehende Lagerung daher weniger kritisch - aber liegend ist immer die sicherere Wahl.
Schraubverschluss - Position egal
Weine mit Schraubverschluss (Stelvin) können problemlos stehend oder liegend gelagert werden. Der Metallverschluss mit seiner Kunststoffdichtung trocknet nicht aus und ist in jeder Position luftdicht.
Vorteile des Schraubverschlusses
Der Schraubverschluss bietet mehrere Vorteile gegenüber Naturkorken:
- Keine Korkschmecker: Das Risiko von TCA-Verunreinigung (Korkton) entfällt
- Konstante Qualität: Jeder Verschluss verhält sich identisch
- Flexible Lagerung: Stehend oder liegend, beides funktioniert
- Einfaches Öffnen: Kein Korkenzieher nötig
Für welche Weine?
Lange galt der Schraubverschluss als Zeichen für einfache Weine. Diese Vorstellung ist überholt. Heute verwenden auch Spitzenweingüter, besonders in Australien, Neuseeland und zunehmend auch in Europa, Schraubverschlüsse für ihre besten Weine. Für jung zu trinkende, frische Weine ist er oft die bessere Wahl.
Glaskorken - Stehend bevorzugt
Glaskorken (Vinolok) sind eine elegante Alternative aus Glas mit Kunststoffdichtung. Sie können stehend oder liegend gelagert werden, wobei die stehende Position manchmal bevorzugt wird.
Besonderheit des Glasverschlusses
Die Dichtung eines Glaskorken liegt zwischen Glas und Flaschenhals. In liegender Position kann über längere Zeit theoretisch minimaler Wein durch Kapillarwirkung an der Dichtung vorbei kriechen. In der Praxis ist dies bei intakten Verschlüssen kein Problem, aber stehende Lagerung eliminiert dieses theoretische Risiko vollständig.
Presskorken und Verbundkorken
Presskorken (aus Korkgranulat) und Verbundkorken (mit Naturkorkscheiben an den Enden) verhalten sich ähnlich wie Naturkorken. Die liegende Lagerung ist empfehlenswert, wenn auch nicht ganz so kritisch wie bei reinen Naturkorken.
Presskorken
Bestehen aus zusammengepressten Korkpartikeln. Sie sind günstiger als Naturkorken und weniger anfällig für Korkschmecker, aber auch weniger langlebig. Für Weine, die innerhalb von 2-3 Jahren getrunken werden, sind sie geeignet. Liegende Lagerung ist empfohlen.
Verbundkorken
Kombinieren einen Presskorkenkörper mit Naturkorkscheiben an beiden Enden. Sie bieten bessere Dichtigkeit als reine Presskorken. Auch hier ist liegende Lagerung sinnvoll.
Kunststoffkorken
Synthetische Korken aus Kunststoff trocknen nicht aus und könnten theoretisch in jeder Position gelagert werden. Allerdings haben sie andere Nachteile: Sie können mit der Zeit an Elastizität verlieren und sind für längere Lagerung weniger geeignet als Naturkorken oder Schraubverschlüsse.
Für die typische Verwendung bei einfacheren Weinen, die innerhalb von ein bis zwei Jahren getrunken werden, ist die Lagerposition nicht kritisch.
Der Neigungswinkel
Muss die Flasche perfekt horizontal liegen? Nicht unbedingt. Ein leichter Winkel, bei dem der Korken noch Kontakt mit dem Wein hat, ist ausreichend. Manche Weinregale halten die Flaschen sogar leicht nach unten geneigt, sodass eventuelle Sedimente sich vom Korken fernhalten.
Die 45-Grad-Theorie
Einige Experten propagieren eine leicht geneigte Lagerung bei etwa 45 Grad. Die Idee: Der Korken bleibt feucht, aber die Luftblase in der Flasche hat Kontakt mit dem Korken, was minimal Sauerstoffaustausch ermöglicht und die Entwicklung fördert. Wissenschaftliche Belege für Vorteile gegenüber horizontaler Lagerung sind jedoch dünn.
Schaumweine - Ein Sonderfall
Champagner und andere Schaumweine werden traditionell liegend gelagert, obwohl der Druck in der Flasche (etwa 6 bar) den Korken von innen feucht hält. Die liegende Position schadet nicht, und der Korken bleibt zusätzlich von außen befeuchtet.
Interessanterweise lagern die großen Champagnerhäuser ihre Flaschen oft stehend. Der hohe Innendruck sorgt dafür, dass der Korken nicht austrocknet. Für den Heimgebrauch ist liegend jedoch die sichere Wahl.
Portwein und Spirituosen
Portwein und andere Likörweine werden traditionell stehend gelagert. Der hohe Alkoholgehalt (19-22%) kann den Korken bei dauerndem Kontakt angreifen. Auch Spirituosen sollten stehend aufbewahrt werden.
Praktische Tipps
Erkennungsmerkmale für den Verschlusstyp
- Naturkorken: Flasche hat eine längere Kapsel, Korken ist durch diese nicht sichtbar
- Schraubverschluss: Metallkappe mit Gewinde, oft kleiner als traditionelle Kapseln
- Glaskorken: Transparenter oder getönter Glasverschluss, oft ohne Kapsel
Weinregale und Lagersysteme
Weinregale für liegende Lagerung gibt es in vielen Ausführungen: von einfachen Holzregalen über modulare Systeme bis hin zu maßgefertigten Kellerlösungen. Achten Sie darauf, dass die Flaschen sicher liegen und nicht rollen können.
Wenn der Platz fehlt
Nicht jeder hat Platz für ein Weinregal. Für kurzfristige Lagerung ist eine kühle, dunkle Schublade oder ein Schrank akzeptabel. Stapeln Sie die Flaschen in diesem Fall horizontal übereinander - mit einem weichen Material dazwischen, um Beschädigungen zu vermeiden.
Fazit
Die richtige Lagerposition ist einfacher als oft angenommen: Naturkorken liegend, Schraubverschluss egal. Für die Langzeitlagerung wertvoller Weine mit Korken ist die horizontale Position unverzichtbar, um den Korken feucht zu halten und vorzeitige Oxidation zu verhindern. Bei modernen alternativen Verschlüssen haben Sie mehr Flexibilität - was die Auswahl des Weinregals oder des Lagerorts erleichtert.