Wie wird Rotwein hergestellt?
Die Kunst der Rotweinherstellung ist ein faszinierender Prozess, der Jahrhunderte alte Traditionen mit moderner Technik verbindet. Von der sorgfältigen Traubenlese bis zum fertigen Wein in der Flasche durchläuft der Rotwein zahlreiche Schritte, die seinen Charakter und seine Qualität maßgeblich beeinflussen.
Die Weinlese - Der Beginn eines großen Weins
Alles beginnt im Weinberg mit der Ernte der Trauben, die in der Regel zwischen September und Oktober stattfindet. Der optimale Lesezeitpunkt ist entscheidend für die Qualität des späteren Weins. Die Trauben müssen den perfekten Reifegrad erreicht haben - ein Gleichgewicht zwischen Zuckergehalt, Säure und Phenolreife der Schalen.
Die Lese kann maschinell oder von Hand erfolgen. Während die maschinelle Ernte effizienter ist, bevorzugen viele Qualitätswinzer die Handlese. Diese ermöglicht eine sorgfältigere Selektion und schonendere Behandlung der Trauben. Bei der Handlese können beschädigte oder unreife Beeren aussortiert werden, was sich positiv auf die Weinqualität auswirkt.
Entrappen und Maischen
Nach der Lese werden die Trauben zum Weingut transportiert, wo sie zunächst entrappt werden. Dabei werden die Beeren von den Stielen getrennt. Früher wurden die Stiele häufig mitverarbeitet, heute entfernt man sie meist, da sie dem Wein harte, grüne Tannine verleihen können. Einige Winzer lassen jedoch bewusst einen Teil der Stiele im Most, um dem Wein mehr Struktur zu geben.
Anschließend werden die Beeren angequetscht, sodass der Saft austreten kann. Diese Mischung aus Saft, Schalen, Kernen und eventuell Stielen nennt man Maische. Im Gegensatz zur Weißweinherstellung bleibt die Maische beim Rotwein für einen längeren Zeitraum in Kontakt mit dem Most - ein entscheidender Unterschied, der dem Rotwein seine charakteristische Farbe und seine Tannine verleiht.
Die Maischegärung - Das Herzstück der Rotweinherstellung
Die Maischegärung ist der zentrale Prozess bei der Rotweinherstellung. Während dieser Phase wandeln Hefen den Zucker in Alkohol um, während gleichzeitig Farbstoffe (Anthocyane) und Tannine aus den Schalen extrahiert werden. Die Gärung dauert typischerweise zwischen einer und drei Wochen, abhängig vom gewünschten Weinstil.
Während der Gärung steigen die festen Bestandteile durch das entstehende CO2 nach oben und bilden den sogenannten Tresterhut. Um eine optimale Extraktion zu gewährleisten, muss dieser regelmäßig mit dem Saft in Kontakt gebracht werden. Dies geschieht durch verschiedene Techniken:
Unterstoßen (Pigeage)
Bei dieser traditionellen Methode wird der Tresterhut manuell oder maschinell nach unten gedrückt. In einigen Regionen, wie dem Burgund, wird dies noch traditionell mit den Füßen durchgeführt. Das Unterstoßen sorgt für eine intensive, aber schonende Extraktion.
Überpumpen (Remontage)
Hierbei wird der Most von unten abgezogen und über den Tresterhut gepumpt. Diese Methode ist weniger arbeitsintensiv und ermöglicht eine gute Belüftung des Mostes, was für die Hefeaktivität förderlich ist.
Délestage
Bei dieser Technik wird der gesamte Most in einen anderen Behälter abgelassen, sodass der Tresterhut zusammenfällt. Anschließend wird der Most wieder zurückgepumpt. Diese Methode sorgt für eine besonders intensive Extraktion.
Die Mazerationszeit
Die Dauer des Schalenkontakts bestimmt maßgeblich den Stil des Weins. Eine kurze Mazeration von nur wenigen Tagen ergibt leichtere, fruchtigere Weine. Eine längere Mazeration von zwei bis vier Wochen führt zu farbintensiveren Weinen mit mehr Tanninen und Lagerpotenzial.
Einige Winzer praktizieren auch eine Kaltmazeration vor der Gärung. Dabei wird die Maische für einige Tage auf niedrigen Temperaturen gehalten, um Farbstoffe und Aromen zu extrahieren, bevor die Gärung beginnt. Dies kann zu besonders fruchtigen und farbintensiven Weinen führen.
Abpressen und Trennung
Nach Abschluss der Gärung und Mazeration wird der frei ablaufende Wein (Vorlauf) von der Maische getrennt. Die verbliebene Maische wird anschließend gepresst, wobei der Presswein gewonnen wird. Dieser ist in der Regel tanninreicher und farbintensiver als der Vorlauf.
Der Winzer entscheidet, ob und in welchem Verhältnis der Presswein dem Vorlauf hinzugefügt wird. Bei hochwertigen Weinen wird oft nur ein Teil oder gar kein Presswein verwendet, um einen feineren, eleganteren Wein zu erhalten.
Malolaktische Gärung
Fast alle Rotweine durchlaufen die malolaktische Gärung, auch biologischer Säureabbau genannt. Dabei wandeln Bakterien die scharfe Apfelsäure in die mildere Milchsäure um. Dieser Prozess macht den Wein weicher und runder im Geschmack und verleiht ihm oft buttrige oder cremige Noten.
Reifung und Ausbau
Nach der Gärung beginnt die Reifephase, die dem Wein Zeit gibt, sich zu entwickeln und zu harmonisieren. Die Reifung kann in verschiedenen Behältern erfolgen:
Edelstahltanks
Die Reifung im Edelstahl bewahrt die frischen Fruchtaromen und eignet sich besonders für jung zu trinkende, fruchtige Rotweine.
Holzfässer
Die Fassreifung ist besonders bei hochwertigen Rotweinen beliebt. Das Holz verleiht dem Wein zusätzliche Aromen wie Vanille, Toast, Gewürze oder Karamell. Gleichzeitig ermöglicht die leichte Sauerstoffzufuhr durch die Poren des Holzes eine kontrollierte Oxidation, die den Wein weicher macht.
Besonders bekannt ist das Barrique-Fass mit einem Volumen von 225 Litern. Neue Barriques geben mehr Holzaromen ab als gebrauchte. Die Dauer der Fassreifung variiert von einigen Monaten bis zu mehreren Jahren, abhängig vom gewünschten Weinstil.
Betoneier und Amphoren
In den letzten Jahren haben einige Winzer alternative Gefäße wie Betoneier oder Tonamphoren wiederentdeckt. Diese ermöglichen eine sanfte Mikrooxidation ohne Holzaromen und betonen die reinen Fruchtaromen und den Terroircharakter des Weins.
Schönung und Filtration
Vor der Abfüllung werden viele Weine geklärt und gefiltert, um Trübstoffe zu entfernen und den Wein zu stabilisieren. Bei der Schönung werden Substanzen wie Eiweiß, Gelatine oder Bentonit verwendet, die Schwebeteilchen binden und absinken lassen.
Einige Qualitätswinzer verzichten bewusst auf Filtration oder Schönung, um den Wein möglichst unverfälscht zu belassen. Solche Weine können etwas Bodensatz bilden und sind auf dem Etikett oft als "unfiltriert" gekennzeichnet.
Abfüllung
Der letzte Schritt ist die Abfüllung in Flaschen. Bei hochwertigen Weinen erfolgt oft noch eine Flaschenreife im Keller des Weinguts, bevor der Wein in den Verkauf gelangt. Diese zusätzliche Reifezeit ermöglicht es dem Wein, sich weiter zu entwickeln und zu harmonisieren.
Fazit
Die Rotweinherstellung ist ein komplexer Prozess, bei dem jeder Schritt den Charakter des fertigen Weins beeinflusst. Von der Qualität der Trauben über die Gärführung bis zur Reifung - der Winzer hat zahlreiche Stellschrauben, um seinen Wein zu formen. Das Zusammenspiel von Tradition, Erfahrung und moderner Technik macht jeden Rotwein zu einem einzigartigen Genusserlebnis.