Das richtige Weinglas für jeden Wein
Die Form des Weinglases beeinflusst, wie wir einen Wein wahrnehmen. Das richtige Glas lenkt den Wein an die optimalen Stellen der Zunge, konzentriert oder öffnet die Aromen und macht den Genuss vollkommener. Doch braucht man wirklich für jeden Wein ein eigenes Glas?
Warum die Glasform wichtig ist
Die Wissenschaft hinter Weingläsern basiert auf mehreren Faktoren:
Aromaentfaltung
Die Größe des Glaskelchs bestimmt, wie viel Oberfläche der Wein hat, um Aromen freizusetzen. Größere Gläser ermöglichen mehr Belüftung und Aromenentwicklung. Die Form der Öffnung konzentriert oder verteilt diese Aromen.
Sauerstoffkontakt
Breite Gläser bringen mehr Wein mit Sauerstoff in Kontakt, was tanninreichen Weinen hilft, sich zu öffnen. Schmalere Gläser begrenzen den Luftkontakt und bewahren empfindliche Aromen.
Trinkfluss
Die Form des Glasrandes und die Krümmung des Kelchs bestimmen, wohin der Wein beim Trinken fließt. Dies beeinflusst, welche Geschmackszonen der Zunge zuerst angesprochen werden.
Optik
Ein schönes Glas aus klarem Kristall lässt die Farbe des Weins strahlen und steigert das ästhetische Erlebnis.
Die wichtigsten Glastypen
Bordeaux-Glas
Das klassische Rotwein-Glas mit hohem, breitem Kelch und relativ gerader Wandung. Es wurde für tanninreiche, kraftvolle Weine wie Cabernet Sauvignon oder Merlot entwickelt.
Eigenschaften: Großes Volumen (600-800 ml), breite Öffnung, die Aromen weit verteilt, hoher Kelch für intensive Farbe
Geeignet für: Bordeaux, Cabernet Sauvignon, Merlot, Syrah, Malbec, Tempranillo und andere kraftvolle Rotweine
Burgunder-Glas
Bauchige, ballonförmige Gläser mit weiter Öffnung, die sich nach oben leicht verjüngt. Entwickelt für die subtilen, komplexen Aromen des Pinot Noir.
Eigenschaften: Sehr großes Volumen (700-900 ml), bauchige Form für maximale Oberfläche, verengte Öffnung, die Aromen konzentriert
Geeignet für: Pinot Noir, Nebbiolo, Barolo, Barbaresco, gereifter Rioja, auch für komplexe Chardonnays
Universelles Rotweinglas
Ein Kompromiss zwischen Bordeaux- und Burgunder-Form. Für Weinliebhaber, die nicht für jeden Weintyp ein eigenes Glas kaufen möchten.
Eigenschaften: Mittleres Volumen (500-600 ml), leicht bauchig mit mäßig verjüngter Öffnung
Geeignet für: Praktisch alle Rotweine
Weißweinglas
Kleiner als Rotweingläser, mit U-förmigem oder leicht tulpenförmigem Kelch. Die geringere Größe hält den Wein kühl und konzentriert frische Aromen.
Eigenschaften: Mittleres Volumen (300-400 ml), kleinere Öffnung, schlankere Form
Geeignet für: Sauvignon Blanc, Pinot Grigio, Grüner Veltliner, Riesling und die meisten Weißweine
Chardonnay-/Montrachet-Glas
Ein größeres Weißweinglas mit breiterer Öffnung für komplexe, im Holz ausgebaute Weißweine.
Eigenschaften: Größer als Standard-Weißweinglas (450-550 ml), breiterer Kelch
Geeignet für: Weißer Burgunder, im Barrique ausgebauter Chardonnay, gereifter Weißwein
Champagner-Flöte
Das schlanke, hohe Glas, das die Perlage am besten zur Geltung bringt. Die geringe Oberfläche bewahrt die Kohlensäure.
Eigenschaften: Schmaler, hoher Kelch (150-200 ml), kleine Öffnung
Geeignet für: Champagner, Crémant, Cava, Sekt, Prosecco
Champagner-Tulpe
Eine breitere Alternative zur Flöte mit tulpenförmigem Kelch. Ermöglicht bessere Aromaentfaltung bei hochwertigen Champagnern.
Eigenschaften: Breiter als die Flöte (200-300 ml), leicht bauchig, verengte Öffnung
Geeignet für: Hochwertiger Champagner, Vintage Champagner, Prestige Cuvées
Schaumweinschale (Coupe)
Das flache, breite Glas aus den 1920er Jahren. Sieht elegant aus, ist aber für Schaumwein ungeeignet - die Perlage verfliegt schnell.
Empfehlung: Für Cocktails oder als Dessertschale verwenden, nicht für Champagner
Süßweinglas
Kleine Gläser für konzentrierte Süßweine. Die geringe Größe entspricht den kleineren Portionen, die bei diesen intensiven Weinen üblich sind.
Eigenschaften: Klein (80-150 ml), tulpenförmig oder leicht bauchig
Geeignet für: Sauternes, Trockenbeerenauslese, Tokaji, Eiswein, Vin Santo
Portweinglas
Ähnlich wie Süßweingläser, aber oft mit etwas breiterem Kelch für die komplexen Aromen gereifter Portweine.
Eigenschaften: Klein bis mittel (120-200 ml)
Geeignet für: Ruby, Tawny, Vintage Port, andere Likörweine
Sherry-Glas (Copita)
Traditionelles, tulpenförmiges kleines Glas, das die feinen Aromen von Fino und Manzanilla konzentriert.
Eigenschaften: Sehr klein (100-150 ml), schmale Öffnung
Geeignet für: Sherry, Montilla
Welche Gläser brauchen Sie wirklich?
Das Minimum: Zwei Gläser
Mit einem guten Universal-Rotweinglas und einem Weißweinglas sind Sie für die meisten Situationen gerüstet. Wenn Sie auch Schaumwein trinken, fügen Sie Champagnerflöten hinzu.
Die gute Ausstattung: Vier bis fünf Gläser
- Bordeaux-Glas für kraftvolle Rotweine
- Burgunder-Glas für elegante Rotweine
- Weißweinglas für die meisten Weißweine
- Champagnerflöte oder -tulpe für Schaumweine
- Optional: Süßweinglas für Dessertweine
Die Luxus-Ausstattung
Hersteller wie Riedel, Zalto oder Schott Zwiesel bieten rebsortenspezifische Gläser an - für Riesling, Sauvignon Blanc, Pinot Noir, Cabernet, etc. Ob diese feinen Unterschiede den Aufpreis rechtfertigen, ist eine Frage persönlicher Präferenz und Budget.
Glas versus Kristall
Weingläser werden aus gewöhnlichem Glas oder Kristallglas hergestellt. Die Unterschiede:
Kristallglas
- Enthält Blei- oder Mineraloxide, die besondere Eigenschaften verleihen
- Kann dünner gezogen werden bei gleicher Stabilität
- Hat einen feineren Rand
- Bricht das Licht stärker (mehr Brillanz)
- Poröse Oberfläche, die Aromen besser entfalten lässt
- Empfindlicher und teurer
Normales Glas
- Robuster und spülmaschinenfest
- Günstiger
- Dickere Wände und Rand
- Für den Alltag oft praktischer
Qualitätsmerkmale guter Weingläser
Dünner Rand
Ein dünner, geschliffener Rand lässt den Wein sanfter auf die Zunge fließen. Dicke, wulstige Ränder stören das Trinkerlebnis.
Transparenz
Klares, farbloses Glas ohne Schlieren lässt die Weinfarbe unverfälscht zur Geltung kommen. Vermeiden Sie getönte oder verzierte Gläser.
Langer Stiel
Der Stiel ermöglicht es, das Glas zu halten, ohne den Kelch zu berühren. So bleibt der Wein auf der richtigen Temperatur, und Fingerabdrücke trüben nicht den Blick.
Stabile Basis
Ein breiter, stabiler Fuß verhindert Umkippen.
Ausgewogene Form
Das Glas sollte gut in der Hand liegen und beim Schwenken nicht unbalanciert wirken.
Pflege von Weingläsern
Reinigung
- Von Hand: Am schonendsten. Heißes Wasser, wenig oder kein Spülmittel, sofort trocknen
- Spülmaschine: Nur für spülmaschinenfeste Gläser. Sanfter Modus, gut fixieren, um Klirren zu vermeiden
Trocknen
Mit fusselfreiem Tuch polieren, um Wasserflecken zu vermeiden. Das Glas dabei am Kelch, nicht am Stiel halten, um Bruch zu verhindern.
Aufbewahrung
Stehend aufbewahren (nicht auf dem Kopf), um Gerüche zu vermeiden. In geschlossenen Schränken können Gläser muffig werden - lüften Sie regelmäßig oder bewahren Sie sie offen auf.
Vor dem Gebrauch
Spülen Sie staubige oder lang gelagerte Gläser vor dem Gebrauch mit klarem Wasser aus. Manche Kenner schwenken das erste Glas Wein im Glas, um eventuelle Gerüche zu neutralisieren, und schütten es weg.
Empfehlenswerte Hersteller
Premium-Segment
- Riedel: Der Pionier rebsortenspezifischer Gläser. Breites Sortiment, exzellente Qualität
- Zalto: Federleichte, mundgeblasene Gläser aus Österreich. Für viele das Non-Plus-Ultra
- Sophienwald: Österreichischer Hersteller mit exzellentem Preis-Leistungs-Verhältnis
Mittelklasse
- Schott Zwiesel: Robuste Kristallgläser, spülmaschinenfest, gutes Preis-Leistungs-Verhältnis
- Spiegelau: Zur Riedel-Gruppe gehörend, solide Qualität zu moderaten Preisen
- Stölzle Lausitz: Deutscher Hersteller mit breitem Sortiment
Einsteigerklasse
- IKEA: Überraschend gute Basis-Gläser zu kleinen Preisen
- Leonardo: Günstige Alltagsgläser
Fazit
Das richtige Weinglas kann den Genuss eines Weins erheblich steigern. Für den Anfang reichen wenige, gut gewählte Gläser. Mit der Zeit können Sie Ihre Sammlung nach Bedarf erweitern. Investieren Sie lieber in wenige hochwertige Gläser als in viele mittelmäßige - ein gutes Glas macht jeden Wein besser.