Wie wird Rosé hergestellt?
Roséwein fasziniert durch seine Vielfalt an Farbtönen - von zartem Lachsrosa bis zu kräftigem Pink. Doch wie entsteht diese charakteristische Farbe? Im Gegensatz zu einem verbreiteten Irrtum ist Rosé kein simples Gemisch aus Rot- und Weißwein, sondern das Ergebnis ausgeklügelter Weinbereitungstechniken.
Die Grundlagen der Roséherstellung
Roséweine werden ausschließlich aus roten Rebsorten hergestellt. Die Kunst besteht darin, nur einen Teil der Farbstoffe aus den Beerenschalen zu extrahieren - genug für die gewünschte Rosétönung, aber weniger als bei einem Rotwein. Wie intensiv die Farbe ausfällt, hängt von der Kontaktzeit zwischen Most und Schalen ab.
Die Farbpigmente, sogenannte Anthocyane, befinden sich in den Schalen roter Trauben. Sie lösen sich bei Kontakt mit dem Most. Je länger dieser Kontakt dauert, desto mehr Farbe wird extrahiert. Bei Roséweinen variiert diese Zeit typischerweise zwischen einigen Stunden und zwei Tagen.
Die drei Hauptmethoden der Roséherstellung
1. Direkte Pressung (Pressurage Direct)
Die direkte Pressung ist die eleganteste und am häufigsten verwendete Methode für hochwertige Roséweine. Sie ähnelt stark der Weißweinbereitung und ergibt die blassesten, zartesten Rosés.
Bei diesem Verfahren werden die roten Trauben nach der Lese direkt gepresst, ähnlich wie bei der Weißweinherstellung. Der kurze Kontakt zwischen Most und Schalen während des Pressvorgangs genügt, um dem Most eine zarte Rosétönung zu verleihen.
Der Ablauf im Detail
Nach der Ernte werden die Trauben zum Weingut gebracht und meist entstielt. Anschließend werden sie direkt in die Presse gegeben. Während des Pressvorgangs, der mehrere Stunden dauern kann, nimmt der Most langsam Farbe auf. Der Winzer überwacht diesen Prozess genau und kann durch die Pressdauer die Farbintensität beeinflussen.
Der gewonnene Most wird anschließend wie ein Weißwein behandelt: Er wird geklärt und bei niedrigen Temperaturen vergoren. Das Ergebnis sind besonders helle, elegante Rosés mit feiner Frucht und lebendiger Säure - typisch für die Provence-Rosés, die weltweit als Maßstab gelten.
2. Saignée-Methode (Aderlass)
Die Saignée-Methode ist ein traditionelles Verfahren, das ursprünglich dazu diente, Rotweine zu konzentrieren. Der Name kommt vom französischen Wort für "Aderlass" - ein Teil des Mostes wird "zur Ader gelassen".
Bei dieser Technik werden rote Trauben wie für die Rotweinbereitung angemaist. Nach einigen Stunden bis maximal zwei Tagen Maischestandzeit wird ein Teil des Mostes abgezogen - dieser wird zum Rosé. Der verbleibende Most mit höherem Schalen-zu-Saft-Verhältnis wird zu einem konzentrierteren Rotwein weiterverarbeitet.
Charakteristika des Saignée-Rosé
Saignée-Rosés sind in der Regel dunkler und intensiver als direkt gepresste Rosés. Sie haben mehr Körper, Struktur und oft auch mehr Tannine. Der Stil erinnert eher an einen leichten Rotwein als an einen frischen Sommerwein.
Diese Methode ermöglicht es dem Winzer, quasi zwei Weine aus einer Charge zu gewinnen - einen Rosé und einen konzentrierten Rotwein. Sie ist daher auch wirtschaftlich interessant, erfordert aber hochwertige Trauben, um beide Weine auf hohem Niveau zu produzieren.
3. Verschnitt (Assemblage)
Die dritte Methode - das Mischen von fertigem Rot- und Weißwein - ist in den meisten Weinregionen für stille Roséweine verboten. Eine wichtige Ausnahme bildet die Champagne, wo diese Technik für Rosé-Champagner erlaubt und üblich ist.
Bei der Herstellung von Rosé-Champagner wird einem weißen Grundwein ein kleiner Anteil (typischerweise 10-15%) Rotwein, meist aus Pinot Noir, zugesetzt. Dies ergibt einen Rosé mit charakteristischem Geschmacksprofil und ermöglicht eine präzise Steuerung der Farbe.
Rebsorten für Roséwein
Grundsätzlich kann jede rote Rebsorte für die Roséherstellung verwendet werden. Einige Sorten haben sich jedoch als besonders geeignet erwiesen:
Grenache
Die Königin der Provence-Rosés. Grenache liefert elegante, blassrosa Weine mit Aromen von Erdbeeren, Pfirsichen und Kräutern. Die Sorte hat von Natur aus wenig Farbstoffe, was sie ideal für zarte Rosés macht.
Cinsault
Oft in Kombination mit Grenache verwendet, bringt Cinsault florale Noten und eine gewisse Leichtigkeit in die Cuvée.
Syrah
Fügt Struktur und würzige Noten hinzu. Syrah-Anteile machen Rosés komplexer und verleihen ihnen mehr Rückgrat.
Mourvèdre
Bringt Tiefe und dunkle Fruchtaromen ein. In der Provence ein wichtiger Bestandteil vieler Cuvées.
Pinot Noir
Liefert elegante, kirschfruchtige Rosés. In der Champagne die wichtigste Sorte für Rosé-Champagner, aber auch als stiller Rosé beliebt.
Tempranillo
Die spanische Hauptsorte für Rosado, mit kräftigerer Frucht und mehr Körper.
Die Gärung und der Ausbau
Nach der Farbextraktion wird Rosémost wie Weißwein behandelt. Die Gärung erfolgt bei niedrigen Temperaturen (14-18°C), um die frischen Fruchtaromen zu bewahren. Diese temperaturkontrollierte Gärung dauert typischerweise zwei bis drei Wochen.
Ausbau im Stahltank
Die meisten Roséweine reifen im Edelstahltank. Dieser inerte Behälter bewahrt die Frische und Fruchtigkeit, die bei Rosé so geschätzt wird. Stahltank-Rosés sollten jung getrunken werden, idealerweise innerhalb von ein bis zwei Jahren nach der Ernte.
Ausbau im Holzfass
Einige Premium-Rosés werden im Holzfass ausgebaut. Dies verleiht ihnen mehr Komplexität, Struktur und Lagerpotenzial. Solche Weine können mehrere Jahre reifen und entwickeln sich zu vielschichtigen Gaumenfreuden.
Farbspektrum und Qualität
Die Farbe eines Rosés sagt nichts über seine Qualität aus - sie ist eine Stilfrage. Blasse, lachsfarbene Rosés aus der Provence gelten als besonders elegant und liegen im Trend. Kräftigere, pinke Rosés aus Regionen wie Tavel oder Rioja haben einen anderen, ebenso legitimen Charakter.
Die Farbintensität hängt ab von:
- Der verwendeten Rebsorte und ihrem Farbstoffgehalt
- Der Kontaktzeit zwischen Most und Schalen
- Der Gärtemperatur
- Der gewählten Herstellungsmethode
Regionale Stile
Provence (Frankreich)
Der Maßstab für eleganten Rosé: blass, trocken, mit feiner Frucht und Kräuternoten. Hergestellt meist durch direkte Pressung aus Grenache, Cinsault und Syrah.
Tavel (Rhône, Frankreich)
Der einzige Cru, der ausschließlich Roséwein produziert. Kräftiger, dunkler und strukturierter als Provence-Rosé, oft mit Lagerpotenzial.
Rioja (Spanien)
Traditionelle Rosados aus Garnacha und Tempranillo, kräftiger und fruchtbetonter im Stil.
Bandol (Provence, Frankreich)
Hochwertige Rosés mit hohem Mourvèdre-Anteil, strukturiert und komplex.
Häufige Missverständnisse
Rosé ist nur ein Sommerwein
Hochwertige Rosés können das ganze Jahr über genossen werden und passen zu einer Vielzahl von Speisen. Strukturierte Exemplare aus Tavel oder Bandol harmonieren sogar mit kräftigen Gerichten.
Rosé ist einfach herzustellen
Im Gegenteil: Guter Rosé erfordert präzises Timing und sorgfältige Kontrolle der Farbextraktion. Ein Fehler kann leicht zu einem farblosen oder zu dunklen Wein führen.
Je blasser, desto besser
Die Farbe ist Stilfrage, nicht Qualitätsmerkmal. Ein intensiv gefärbter Saignée-Rosé kann ebenso hochwertig sein wie ein blasser Provence-Rosé.
Fazit
Die Roséherstellung ist eine Kunst, die Präzision und Erfahrung erfordert. Ob durch direkte Pressung, Saignée-Methode oder - im Fall von Champagner - durch Verschnitt: Jede Technik hat ihre Berechtigung und bringt charakteristische Weine hervor. Die Vielfalt der Roséstile, von blass und elegant bis kräftig und strukturiert, macht diese Weinkategorie so spannend und vielseitig.